Risikoadjustierung

Was bedeutet Risikoadjustierung?

Frühgeborene unter 1.500 g sollen in spezialisierten Standorten (in sogenannten Perinatalzentren) behandelt werden. Dort erhalten sie die bestmöglichste Behandlung, damit ein Erkranken oder Versterben der Kinder möglichst verhindert wird. Um die Qualität der medizinischen Versorgung in diesen Perinatalzentren darzustellen, werden die Behandlungsergebnisse der einzelnen Zentren verglichen. Besonders wichtig sind dabei das „Überleben von Frühgeborenen unter 1.500 g“ und das „Überleben von Frühgeborenen unter 1.500 g ohne schwere Erkrankung“.  Frühgeborene unter 1.500 g können allerdings unterschiedliche Vorbelastungen haben, die sich auf diese Behandlungsergebnisse auswirken können. Diese Vorbelastungen werden auch Risiken genannt. Dazu gehört zum Beispiel, dass manche Kinder als Zwillinge oder Drillinge geboren werden. Andere wiegen ganz besonders wenig und manche kommen mit einer Fehlbildung auf die Welt. Das Ziel jedes Perinatalzentrums ist es, dass die Frühgeborenen unter 1.500 g überleben und ohne eine schwere Erkrankung nach Hause entlassen werden können. Das ist für die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal immer dann umso schwerer zu erreichen, je mehr Risiken die Kinder mitbringen. Vor allem Perinatalzentren mit besonderen Schwerpunkten behandeln häufiger schwerstkranke Kinder und haben dadurch möglicherweise schlechtere Behandlungsergebnisse. Das muss jedoch nicht heißen, dass sie die Frühgeborenen unter 1.500 g schlechter versorgen. Es kann an der erhöhten Schwierigkeit der Versorgung an sich liegen. Um diese unterschiedlichen Ausgangslagen bei der Beurteilung von Perinatalzentren zu berücksichtigen, wird eine zusätzliche Berechnung durchgeführt. Diese Berechnung wird Risikoadjustierung genannt.

Wie funktioniert die Risikoadjustierung?

In einem ersten Schritt werden die potenziellen Risiken der Kinder für das Behandlungsergebnis identifiziert. Dazu werden die Vorbelastungen von Frühgeborenen unter 1.500 g ermittelt, die einen großen Einfluss etwa auf deren Überleben haben, vom behandelnden Perinatalzentrum selbst jedoch nicht beeinflusst werden können. Anschließend wird geprüft, ob diese Vorbelastungen tatsächlich im Zusammenhang mit dem Behandlungserfolg stehen. Wenn es einen Zusammenhang gibt, gelten sie als Risiken. Aktuell sind folgende Vorbelastungen als Risiko identifiziert worden:

Schließlich wird eine Berechnung durchgeführt, in der die Einflüsse der Risiken auf die Behandlungsergebnisse herausgerechnet werden. Diese Berechnung wird als Risikoadjustierung bezeichnet. Sie erfolgt für die Behandlungsergebnisse „Überleben von Frühgeborenen unter 1.500 g“ und „Überleben von Frühgeborenen unter 1.500 g ohne schwere Erkrankung“. Mit der Risikoadjustierung ist es also möglich, die Versorgungsqualität unterschiedlicher Perinatalzentren zu vergleichen, obwohl die Zentren Frühgeborene unter 1.500 g mit unterschiedlichen Risiken behandeln.

Durch die Einbindung der risikoadjustierten Informationen zeigt die Umkreissuche auf www.perinatalzentren.org nun also Informationen über die Versorgungsqualität der Standorte an, die untereinander verglichen werden dürfen. Die angegebenen Qualitätswerte beziehen sich auf die Behandlungsergebnisse in allen Perinatalzentren in Deutschland. Ein Qualitätswert von 1 entspricht nach Risikoadjustierung einem durchschnittlichen Ergebnis. Ein Ergebnis unter 1 bedeutet, dass die Versorgungsqualität eines Perinatalzentrums schlechter ist als erwartet. Liegt der Wert über 1, so ist die Versorgungsqualität besser als erwartet. Zu jedem Perinatalzentrum wird außerdem eine risikoadjustierte Fallzahl angezeigt. Diese gibt unter Berücksichtigung der Vorbelastungen an, wie viele der Frühgeborenen unter 1.500 g dort in einem Jahr behandelt werden und liefert so einen Hinweis auf die Erfahrung des Zentrums.

 

Das Risiko eines Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g zu versterben oder eine schwere Erkrankung zu entwickeln, wird im Rahmen des Qualitätssicherungsverfahrens Neonatologie erhoben.

Einige dieser Risiken verringern die Wahrscheinlichkeit zu überleben so stark, dass die betreffenden Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g komplett aus der Berechnung ausgeschlossen wurden. Dies betrifft:

Folgende Risiken von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g werden bei der Berechnung der Risikoadjustierung überprüft:

Zunächst wird geprüft, ob sich diese vermuteten Risiken so auf die Behandlungsergebnisse auswirken, wie dies aus bisherigen Studien bekannt ist. Darüber hinaus wird die Sicherheit des Zusammenhangs geprüft. Es werden dann nur solche Risiken in die Berechnung der Risikoadjustierung aufgenommen, die mit großer Sicherheit (auch als statistisch signifikant bezeichnet) einen Zusammenhang mit dem Behandlungsergebnis aufweisen.

Das Modell zur Risikoadjustierung wird jährlich mit den aktualisierten Daten der letzten fünf Jahre berechnet. Auch die Auswahl der Risikofaktoren wird jährlich überprüft. Aufgrund der aktuellen Überprüfungen mit Daten der Erfassungsjahre 2018 bis 2022 wurden alle oben genannten Risiken außer „Bisher gelebte Tage des Kindes bei Aufnahme“ und „vorliegen einer Mehrlingsschwangerschaft“ für die aktuelle Risikoadjustierung ausgewählt.

Bei einer Umkreissuche über www.perinatalzentren.org werden zwei Angaben zur Anzahl behandelter Frühgeborener unter 1.500 g in einem Perinatalzentrum ausgewiesen: Die „Fallzahl“ und die „risikoadjustierte Fallzahl“.

Die „Fallzahl“ eines Perinatalzentrums beschreibt zunächst die durchschnittliche Anzahl der behandelten Frühgeborenen unter 1.500 g  pro Jahr. Sie wird auf Basis der letzten fünf Jahre errechnet und liefert Hinweise auf die Übung und Erfahrung der Ärztinnen und Ärzte sowie des Pflegepersonals einer Klinik mit der Behandlung dieser Frühgeborenen unter 1.500 g.

Der Pflege- und Behandlungsbedarf für ein Frühgeborenes unter 1.500 g steigt jedoch, je geringer die Überlebenswahrscheinlichkeit ist. So sind beispielsweise mehr Therapien, Eingriffe und ein höherer Pflegebedarf für schwer kranke Kinder zu erwarten. Gleichzeitig kann das medizinische Personal bei der Behandlung dieser Kinder viele Erfahrungen sammeln. Um diese unterschiedlichen Voraussetzungen der Perinatalzentren zu berücksichtigen, wird zusätzlich eine „risikoadjustierte Fallzahl“ berechnet und dargestellt.

Vergleicht man nun diese beiden Zahlen miteinander, so kann eingeschätzt werden, ob ein Standort eher risikoreichere oder risikoärmere Kinder behandelt. Liegt die risikoadjustierte Fallzahl über der Fallzahl, so wurden im Vergleich zum Durchschnittsrisiko risikoreichere Kinder behandelt. Liegt sie darunter, so lag das Risiko der dort behandelten Kinder unter dem Durchschnittsrisiko.  

Diese Tabelle zeigt die Ergebnisse der Berechnungen der Risikoadjustierung zu den Erfassungsjahren 2019-2023. Diese werden im Jahr 2024 berichtet. Für jedes Risiko, das ein Kind haben kann, wurde gemessen, unter welchen Voraussetzungen das Kind eine bessere Chance hat zu überleben:

Risiko: Geschlecht
Mädchen ↔ Jungen, Kinder ohne eindeutiges Geschlecht Mädchen haben eine 1,6-fach höhere Chance zu überleben, als Jungen und Kinder ohne eindeutiges Geschlecht.
Risiko: Aufnahmegewicht
Hohes Aufnahmegewicht↔ niedriges Aufnahmegewicht Die Chance zu überleben steigt, je schwerer die Kinder bei der Aufnahme sind.

Kinder mit einem Gewicht unter 400g bei der Aufnahme in ein Perinatalzentrum haben eine etwa 334-fach geringere Überlebenschance als Kinder mit einem Gewicht ab 1.300g bei der Aufnahme.
Risiko: Gewichtsabweichung bei der Aufnahme
Aufnahmegewicht höher als erwartet ↔ Aufnahmegewicht niedriger als erwartet Hier wird der Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem erwarteten Aufnahmegewicht von Frühgeborenen gemessen. So kann bestimmt werden, ob ein Kind in etwa so viel wiegt, wie es entsprechend der Schwangerschaftsdauer und dem Geschlecht wiegen sollte. Die Erwartung an das Gewicht bemisst sich dabei am Alter (bei Aufnahme) und am Geschlecht des Kindes. Einige Kinder sind zu schwer für ihr Alter, beispielweise bedingt durch einen Diabetes der Mutter. Andere Kinder sind zu leicht, beispielsweise als Folge einer Unterversorgung im Mutterleib.

Kinder, die bei der Aufnahme leichter sind als erwartet, haben eine etwa 2,6-fach höhere Überlebenschance als Kinder, deren tatsächliches Aufnahmegewicht dem erwarteten Aufnahmegewicht entspricht.

Kinder, die bei der Aufnahme schwerer sind als erwartet, haben eine etwa 2,3-fach geringere Überlebenschance als Kinder, deren tatsächliches Aufnahmegewicht dem erwarteten Aufnahmegewicht entspricht.

Frühgeborene haben demnach derzeit die beste Chance zu überleben, wenn sie weiblich sind und mit einem möglichst hohen Gewicht in ein Perinatalzentrum aufgenommen werden.

Diese Tabelle zeigt die Ergebnisse der Berechnungen der Risikoadjustierung zu den Erfassungsjahren 2019-2023. Diese werden im Jahr 2024 berichtet. Für jedes Risiko das ein Kind haben kann, wurde gemessen, unter welchen Voraussetzungen das Kind eine bessere Chance hat, ohne eine schwere Erkrankung zu überleben:

Risiko: Geschlecht
Mädchen ↔ Jungen, Kinder ohne eindeutiges Geschlecht Mädchen haben eine 1,7-fach höheren Chance ohne schwere Erkrankung zu überleben, als Jungen und Kinder ohne eindeutiges Geschlecht.
Risiko: Aufnahmegewicht
Hohes Aufnahmegewicht ↔ niedriges Aufnahmegewicht Die Chance, ohne schwere Erkrankung zu überleben steigt, je schwerer die Kinder bei der Aufnahme sind.

Kinder mit einem Gewicht unter 400g bei der Aufnahme in ein Perinatalzentrum haben eine etwa 382-fach geringere Chance ohne eine schwere Erkrankung zu Überleben als Kinder mit einem Gewicht ab 1.300g bei der Aufnahme.
Risiko: Gewichtsabweichung bei der Aufnahme
Aufnahmegewicht höher als erwartet ↔ Aufnahmegewicht niedriger als erwartet Hier wird der Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem erwarteten Aufnahmegewicht von Frühgeborenen gemessen. So kann bestimmt werden, ob ein Kind in etwa so viel wiegt, wie es entsprechend der Schwangerschaftsdauer und dem Geschlecht wiegen sollte. Die Erwartung an das Gewicht bemisst sich dabei am Alter (bei Aufnahme) und am Geschlecht des Kindes. Einige Kinder sind zu schwer für ihr Alter, beispielweise bedingt durch einen Diabetes der Mutter. Andere Kinder sind zu leicht, beispielsweise als Folge einer Unterversorgung im Mutterleib.

Kinder, die bei der Aufnahme leichter sind als erwartet, haben eine etwa 2,5-fach höhere Chance, ohne schwere Erkrankung zu überleben als Kinder, deren tatsächliches Aufnahmegewicht dem erwarteten Aufnahmegewicht entspricht.

Kinder, die bei der Aufnahme schwerer sind als erwartet, haben eine etwa 2,2-fach geringere Chance, ohne schwere Erkrankung zu überleben als Kinder, deren tatsächliches Aufnahmegewicht dem erwarteten Aufnahmegewicht entspricht.

Frühgeborene haben demnach derzeit die besten Chancen ohne eine schwere Erkrankung zu überleben, wenn sie weiblich sind und mit einem möglichst hohen Gewicht in ein Perinatalzentrum aufgenommen werden.